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Urteile

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BAG vom 13. Dezember 2018, 2 AZR 370/18

Der Kläger, zuletzt in Vorgesetztenfunktion tätig, erhielt vor seiner Ernennung zum Abteilungsleiter im März 2010 regelmäßig Erschwerniszuschläge. Im Januar 2012 teilte ihm die Personalreferentin mit, dass ihm die Erschwerniszuschläge seit seiner Beförderung nicht mehr zustünden. Er würde sie zukünftig nicht mehr bekommen und die in der Vergangenheit erhaltenen Erschwerniszuschläge seit 2010 könnten sogar zurückgefordert werden. Der Kläger fand das naturgemäß nicht in Ordnung und so eröffnete die Personalreferentin ihm in einem Gespräch in Anwesenheit des technischen Leiters (Vorgesetzter des Klägers), dass der durchschnittliche monatliche Zuschlagsbetrag, den der Kläger bislang erhalten habe, etwa der Vergütung für sieben Überstunden monatlich entspreche. In diesem Umfang könne er doch übergangsweise zusätzliche Überstunden aufschreiben, während man versuche, eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9 zu betreiben.

Die Personalreferentin ist nicht die Chefin des Klägers gewesen, sie war nicht berechtigt, Gehaltserhöhungen zu versprechen. Das war dem Kläger auch bekannt. Nichtsdestotrotz schrieb er dann seit Januar 2012 bis März 2017, wo der Kläger damit konfrontiert wurde, dass aufgefallen sei, dass er zu viele Überstunden aufgeschrieben habe, Überstunden auf, die er nicht erbracht hat. Er teilt zum Vorwurf schriftlich mit:

Zum Überstundendilemma, ein Teil der von mir eingetragenen Überstunden beziehen sich nicht auf Zeitstunden, sondern sind ein GRAUAUSGLEICH der verweigerten Schmutz- und Erschwerniszulage; hierfür vereinbart wurden 7 ‚Stunden‘. Es ergibt sich dadurch für Januar 2015 bis Januar 2017: 24 Monate × 7 Stunden gleich 168 Stunden, die nicht als geleistete Zeit zu gelten haben, sondern die Zulage repräsentieren....“

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos. Das Arbeitsgericht Mannheim wie auch das Landesarbeitsgericht Baden-Wittenberg gaben der Klage gegen die fristlose Kündigung statt. Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidungen auf und wies die Kündigungsschutzklage zurück. Die fristlose Kündigung ist wirksam.

Ausführung des BAG

Das BAG stellt fest, dass der Kläger bewusst falsch seine Überstundenformulare ausgefüllt hat. Er handelte diesbezüglich vorsätzlich. Die falsch ausgefüllten Forderungsnachweise legte er seinem Arbeitgeber mit dem Ziel vor, für die tatsächlich nicht erbrachten Überstunden Vergütung zu erhalten. Auf diese Vergütung hatte er jedoch keinen Anspruch. Es ging ihm dabei darum, den Wegfall der Erschwerniszuschläge auszugleichen. Der Kläger war sich dabei einer kollusiven Absprache mit der Personalreferentin und seinem Vorgesetzten bewusst. Auf deren Berechtigung zu entsprechenden Vereinbarungen vertraute er nicht. Er ging auch nicht davon aus, die Personalreferentin habe sich bei irgendeiner Stelle rückversichert. Das Verhalten des Klägers war auch nicht gerechtfertigt. Einer Abmahnung vor Ausspruch der fristlosen Kündigung bedurfte es ebenfalls nicht.

Eine Abmahnung ist dann nicht erforderlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung des Arbeitnehmers handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. So lag der Fall hier.

Das BAG führt weiter aus, dass der Kläger seine Verpflichtung zur korrekten Dokumentation der Arbeitszeit vorsätzlich und erheblich verletzt habe. Er habe dabei über Jahre hinweg in der Absicht gehandelt, die Beklagte zu Zahlungen an ihn zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hatte.

Schwere der Pflichtverletzung

Erschwerend käme hinzu, dass es sich bei der Pflichtverletzung um ein Verhalten handelte, das auf Heimlichkeit angelegt war. Aus den Forderungsnachweisen (Überstundenabrechnung) war in der Regel nur der monatliche Umfang der Überstunden ersichtlich. Eine nähere Zuordnung nach Tagen und Uhrzeiten hingegen nicht. Eine effektive Kontrolle und Rückverfolgung der einzelnen Überstunden waren dadurch kaum möglich. Der Kläger nutzte diese Umstände im Zusammenspiel mit der Personalreferentin und seinem Vorgesetzten gezielt aus. Wobei die Wahrscheinlichkeit gering war, dass die Beklagte aus den angegebenen Überstunden die fingierten Überstunden würde herausfiltern können. Gegen den Kläger spricht weiter seine Vorbildfunktion als Vorgesetzter. Als Abteilungsleiter oblag ihm unter anderem die Mitarbeiterführung und Personalplanung betreffend 6-15 Stellen.

Dem Kläger ist dabei - anders als das Landesarbeitsgericht gemeint hat - nicht zugutezuhalten, dass er sich aus nachvollziehbaren Gründen ungerecht behandelt fühlte und von der Personalreferentin im Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten zu seinem Handeln "angestiftet" wurde.

AN kann Zuschläge nicht eigenmächtig ausgleichen

Selbst wenn der Kläger davon ausging, dass ihm die Erschwerniszuschläge tatsächlich zustünden, rechtfertigt dieser Umstand es nicht, diese Zuschläge eigenmächtig und außerhalb jeglicher Arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen auszugleichen. Er hätte die Sach- und Rechtslage mithilfe fachkundiger Beratung sorgfältig prüfen und gegebenenfalls gerichtlich klären lassen können. Dass er darauf verzichtet und sich stattdessen auf die Absprache mit der Personalreferentin eingelassen hat, um eine Klage zu vermeiden, lässt sich - entgegen seiner Auffassung - nicht zu seinen Gunsten werten. Vielmehr zeigt es, dass der Kläger allein seine Interessen durchsetzen wollte. Ohne sich auf eine Überprüfung der Berechtigung der ihm vermeintlich zustehenden Ansprüche einlassen zu müssen.

Das Gewicht der Pflichtverletzung wird auch nicht dadurch gemildert, dass der Kläger auf Anregung der Personalreferentin und mit Billigung seines Vorgesetzten einen Ausgleich für die Erschwerniszuschläge erzielen wollte. Im Gegenteil verstärkt das bewusste, kollusive Zusammenwirken mit diesen Mitarbeitern zum Nachteil der beklagten Arbeitgeberin das Gewicht der Pflichtverletzung, da der ihr gegenüber begangene Vertrauensmissbrauch durch diese Vorgehensweise vergleichsweise sicher vor Entdeckung umgesetzt werden konnte.

Hinweis für die Praxis:

Natürlich handelt es sich um einen Einzelfall. Aber das BAG zeigt hier dem Arbeitsgericht wie auch dem Landesarbeitsgericht genau auf, wo die Probleme liegen. Je höher das Vertrauen in einen Arbeitnehmer ist, desto schwerer wiegt ein Vertrauensmissbrauch. Je sicherer ein Vertrauensmissbrauch vor Entdeckung ist, desto schwerer wiegt der Vertrauensmissbrauch. Vorgesetzte haben besondere Vorbildfunktion und deren Fehlverhalten wiegt besonders schwer. Gerade dann, wenn Arbeitnehmer das Gefühl haben, ihnen steht mehr Geld zu als sie bekommen und sie deshalb eigenmächtig versuchen, durch Schummelei sich einen Ausgleich dafür zu besorgen, ist die fristlose Kündigung ganz nah.

Andersrum bedeutet das, dass je mehr Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer überwachen, desto schwerer eine fristlose Kündigung wegen Vertrauensmissbrauch durchgeht. Wer Arbeitnehmer bittet, ihre Arbeitszeiten auf einem Zettel zu notieren und danach die Abrechnung vorzunehmen kann bei einem Verstoß schneller fristlos kündigen als Arbeitgeber, die mit Stempelkarten arbeiten, die vor Missbrauch gut schützen. Arbeitgeber, die wenig überwachen, riskieren, übervorteilt zu werden. Wer allerdings wenig überwacht und dann aber trotzdem einen Missbrauch feststellt, kann sich rasch von Mitarbeitern trennen.

Ein tolles, richtiges Urteil, dass sehr deutlich feststellt, dass Arbeitgeber Selbstjustiz von Mitarbeitern nicht toleriert dürfen. Nur weil jemand meint, mehr Geld zu verdienen, als er bekommt, kann es sich nicht einfach selbst dadurch besorgen, indem er den Arbeitgeber betrügt.

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