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BAG, Urteil vom 10.12.2014 – 7 AZR 1002/12 zur Frage, ob im Arbeitsvertrag vereinbart werden kann, dass das Arbeitsverhältnis endet, wenn der kranke oder behinderte Arbeitnehmer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer bezieht?

Arbeitgeber werden regelmäßig ein Interesse daran haben, Arbeitsverhältnisse mit kranken Arbeitnehmern dann zu beenden, wenn diese nicht mehr in der Lage sind, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Aufnahme einer Regelung in den Arbeitsvertrag möglich ist, wonach bei Gewährung einer Rente auf unbestimmte Dauer wegen voller Erwerbsminderung das Arbeitsverhältnis endet.


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In dem vom Bundesarbeitsgericht am 10.12.2014 entschieden Fall ging es um eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin, deren Schwerbehinderung zunächst mit einem Grad der Behinderung von 40 % und sodann mit einem Grad der Behinderung von 50 % anerkannt worden ist. In dem Tarifvertrag, auf welchen der Arbeitsvertrag verweist, war geregelt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem dem Arbeitnehmer der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, aus dem sich ergibt, dass der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. In der tarifvertraglichen Regelung wurde ferner geregelt, dass das Arbeitsverhältnis in dem Fall, dass die Rente erst nach Zustellung des Rentenbescheids beginnt das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages endet. Darüber hinaus wurde tarifvertraglich geregelt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Tages endet, an dem dem Arbeitnehmer der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts zugestellt wird, sofern zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die nach § 92 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts noch nicht vorlag. Allerdings soll das Arbeitsverhältnis nach der tariflichen Regelung dann nicht enden, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers lediglich eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall soll das Arbeitsverhältnis für die zeitweise Gewährung der Rente ruhen.

Nachdem der längere Zeit arbeitsunfähig erkrankten Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst befristet zuerkannt worden war und der Rentenbezug in der Folgezeit mehrmals verlängert worden ist, stellte die Klägerin am 15.11.2010 einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer, welcher am 08.03.2011 beschieden wurde. Nach dem Bescheid wurde der Klägerin ab dem 01.05.2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer bis längstens 31.05.2025 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) gewährt. In dem Bescheid behielt sich der Rentenversicherungsträger die Überprüfung der Rentenberechtigung zu einem späteren Zeitpunkt vor.

Der beklagte Arbeitgeber teilte der klagenden Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 12.04.2011 mit, dass das Arbeitsverhältnis durch den Bezug der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer aufgrund der tarifvertraglichen Regelung zum 30.04.2011 ende. Die Klägerin klagte daraufhin mit dem Ziel, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2011 zu verhindern. Die Klägerin blieb in allen drei Instanzen (ArbG, LAG und BAG) erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30.04.2011 endete. Seine Entscheidung hat das BAG damit begründet, dass die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer ein sachlicher Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei, auch wenn dieser nicht explizit in dem Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG (hier i.V.m. § 21 TzBfG) genannt ist. Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer sei ein Grund, welcher von seinem Gewicht her mit den in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1-8 TzBfG genannten Sachgründen gleichwertig sei. Zur Begründung führte das BAG an, dass die vom Rentenversicherungsträger festgestellte, unbefristete volle Erwerbsminderung auf der Annahme der Tarifvertragsparteien beruhe, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen kann. Voll erwerbsgemindert seien Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Die hieran anknüpfende Beendigung des Arbeitsverhältnisses diene zum einen dem Schutz des Arbeitnehmers, soll andererseits aber auch dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer trennen zu können, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei dadurch gerechtfertigt, dass der Arbeitnehmer durch die Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer rentenrechtlich versorgt sei.

Was gilt nun aber, wenn die Erwerbsminderungsrente nur zeitweise gewährt wird? Kann das Arbeitsverhältnis auch in einem solchen Fall aufgelöst werden?

Das BAG hat insoweit klargestellt, dass nur eine solche Rentenbewilligung ein Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei, welche zur rentenrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers auf unbestimmte Dauer führt. Dies sei bei einer Rente auf Zeit nicht der Fall, da mit einer zumindest teilweisen Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Beschäftigten gerechnet werden müsse. Sofern dies der Fall sei, ruhe das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum der zeitweisen Rentengewährung. Bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit sei der Arbeitnehmer dauerhaft durch die rentenrechtliche Versorgung abgesichert, da die Erwerbsminderungsrente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bewilligt werde (§ 43 Abs. 2 SGB VI). Mit Erreichen der Regelaltersgrenze erhalte der Arbeitnehmer die Altersrente.

Wie verhält es sich nun aber mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn im Rentenbescheid die Überprüfung der Rentenberechtigung vorbehalten worden ist?

Hierzu hat sich das Bundesarbeitsgericht dahingehend geäußert, dass die Regelung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch dann wirksam sei, wenn der Rentenbescheid die Möglichkeit einer späteren Überprüfung der Rentenberechtigung vorsehe, da eine Aufhebung des Rentenbescheids bei Wiedereintreten der Leistungsfähigkeit von mehr als 3 Stunden täglich nur ausnahmsweise in Betracht komme.

Von Interesse dürfte auch sein, dass das BAG in seiner Entscheidung klargestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis nur dann enden könne, wenn der Arbeitnehmer den Rentenantrag nicht (rechtzeitig) zurücknimmt und seinen Antrag nicht (rechtzeitig) dahingehend einschränkt, dass anstelle einer Dauerrente eine befristete Rente begehrt wird. In diesem Fall würde das Arbeitsverhältnis nicht enden.

Wie verhält sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Regelung eines Wiedereinstellungsanspruchs für den Fall, dass der Arbeitnehmer später wieder erwerbsfähig wird?

Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann wirksam sei, wenn die Regelung für den Fall der späteren Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit keinen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers vorsieht. Dies hat das BAG damit begründet, dass das Arbeitsverhältnis nur aufgelöst werden kann, wenn der Wegfall der Erwerbsminderung unwahrscheinlich sei. In diesem Fall würde das berechtigte Interesse des Arbeitgebers überwiegen, die Stelle unbefristet nachbesetzen zu können, was durch die Wiedereinstellungsverpflichtung des Arbeitgebers bei Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit erschwert würde. Der Arbeitgeber wäre gezwungen, die Stelle gegebenenfalls über viele Jahre für den Fall frei zu halten, dass die Erwerbsfähigkeit des Arbeitnehmers wieder hergestellt wird, obwohl dies bei Bewilligung der Rente für unwahrscheinlich gehalten wurde.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist auch insofern interessant, als dass das BAG entschieden hat, dass die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Dauer wegen voller Erwerbsminderung und die damit verbundene Auflösung des Arbeitsverhältnisses keine Benachteiligung wegen einer Behinderung sei, weshalb eine Vereinbarung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für diesen Fall nicht wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unwirksam sei.

Eine Benachteiligung und damit Ungleichbehandlung könne nur dann vorliegen, wenn Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Lage ungleich behandelt würden. Arbeitnehmer, die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer beziehen und Arbeitnehmer die nicht erwerbsgemindert sind, seien im Hinblick auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht in einer vergleichbaren Situation, da erwerbsgeminderte Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen könnten und es unwahrscheinlich ist, dass sich hieran etwas ändere. Die mittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung sei gerechtfertigt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedurfte nicht der Zustimmung des Integrationsamts nach § 92 SGB IX, da die Zustimmung des Integrationsamts nach dieser Vorschrift bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Eintritts der vollen Erwerbsminderung auf Dauer nicht erforderlich sei. Der Arbeitnehmer könne in einem solchen Fall voraussichtlich dauerhaft überhaupt nicht mehr beschäftigt werden, weshalb das Integrationsamt die Zustimmung in jedem Fall erteilen müsse.

Hinweis für die Praxis:

Auch wenn sich die Entscheidung des BAG auf die tarifvertragliche Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei voller Erwerbsminderung auf Dauer bezieht, dürfte gleiches auch für eine solche Vereinbarung in einem Arbeitsvertrag gelten. Auch die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei dauerhafter voller Erwerbsminderung ist wirksam und führt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Einer solchen Regelung wird jedenfalls dann nichts entgegenstehen, wenn diese hinreichend verständlich formuliert ist und unmissverständliche Regelungen getroffen werden.


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