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Urteile

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Arbeitsgericht Stuttgart – 11 Ca 193/21

Nach Abschluss des Arbeitsvertrags ist es weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer möglich, die vereinbarten Arbeitsbedingungen ohne Zustimmung des anderen Teils neu festzulegen. Der Arbeitgeber benötigt daher grundsätzlich die Zustimmung des Arbeitnehmers, wenn ein zunächst unbefristet geschlossener Arbeitsvertrag nachträglich befristet werden soll. Was aber, wenn der Arbeitnehmer diese Zustimmung nicht erteilen will? Das Arbeitsgericht Stuttgart meint: Der Umweg führt über den Betriebsrat!

Der Fall

Der Kläger war seit dem Jahr 1970 bei der Beklagten zunächst im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses und sodann als Arbeitnehmer beschäftigt. Er hatte sein ganzes Arbeitsleben – rund 50 Jahre – für die Beklagte gearbeitet. Und obwohl der Kläger seit dem 01.01.2021 zum Bezug einer Regelaltersrente ohne Abschläge berechtigt war, wollte er seine Tätigkeit für die Beklagte noch lange nicht beenden sondern über das Regelrenteneintrittsalter hinaus arbeiten. Verständlich, belief sich das Bruttomonatsgehalt des Klägers zuletzt auf € 8.000,00. Aus Sicht des Klägers stand seinem Vorhaben auch nichts entgegen. Jedenfalls enthielt sein Arbeitsvertrag keine Klausel, nach der das Arbeitsverhältnis bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze automatisch enden sollte, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

Die Beklagte schickte dem Kläger Ende 2020 jedoch ein Schreiben, in dem Sie dem Kläger mitteilte, dass sich das Arbeitsverhältnis dem Ende zuneige und dessen wohlverdienter Ruhestand bevorstehe. Die Beklagte berief sich auf die folgende Regelung in einer erst Ende 2020 geschlossenen Betriebsvereinbarung:

„Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für eine Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit §§ 35 SGB VI, 235 SGB VI) ohne Abschläge erreicht hat und diese auch durch einen ihm zustehenden Anspruch beziehen kann, unabhängig davon, ob ein entsprechender Rentenantrag bereits gestellt wurde.“

Der Kläger war überzeugt, die Regelung in der Betriebsvereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei rechtsunwirksam und erhob eine sogenannte Befristungskontrollklage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart.


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Das Urteil

Das Arbeitsgericht Stuttgart entschied:

Die Betriebsvereinbarung hat das Arbeitsverhältnis wirksam nachträglich befristet!

Das Gericht führte zunächst aus, dass der Arbeitsvertrag des Klägers betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet sei, weil dieser eine sogenannten Bezugnahmeklausel enthalte, wonach im Übrigen die für die Werke der Beklagten geltende „Arbeitsordnung“ – also auch die Betriebsvereinbarungen – in der jeweils neuesten Fassung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sein sollte. Die Ende 2020 geschlossene Betriebsvereinbarung wiederum sei Teil der sogenannten „Arbeitsordnung“ und daher auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden.

Sodann kam das Gericht auf das sogenannte „Günstigkeitsprinzip“ zu sprechen, welches besagt, dass günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vorgehen. Im Ergebnis sah das Gericht aber auch an dieser Stelle kein Problem. Da der Arbeitsvertrag des Klägers überhaupt keine ausdrückliche Regelung über die Dauer des Arbeitsverhältnisses vorsah, könne das Günstigkeitsprinzip vorliegend auch nicht verletzt sein, so das Gericht. Und weiter:

Weil sich die Beklagte mit der Betriebsvereinbarung von Ende 2020 zum einen zu der Übernahme von Auszubildenden verpflichtet habe und die Betriebsvereinbarung zum anderen eine Übergangsregelung für die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung rentenberechtigen Personen und rentennahen Jahrgänge vorsehe, werde mit der Altersregelung ein berechtigtes beschäftigungspolitisches Ziel verfolgt. Der Kläger werde somit weder aufgrund seines Alters diskriminiert noch unangemessen benachteiligt.

Hinweise für die Praxis

Das Arbeitsverhältnis endet weder automatisch mit dem Bezug der Rente noch ist das Erreichen des Regelrenteneintrittsalters ein Kündigungsgrund. Jede abweichende Regelung stellt daher eine Befristung des Arbeitsverhältnisses dar. Ein Umstand, der vielen Arbeitgebern bei Abschluss eines Arbeitsvertrages überhaupt nicht bewusst ist.

Ob sich die Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedenfalls, dass der Gesetzgeber in § 14 Abs. 4 TzBfG ausdrücklich vorgibt, dass eine Befristung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung zu einer Befristung, spricht daher viel dafür, dass der Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit, also unbefristet geschlossen wurde. Dann aber steht das Günstigkeitsprinzip, anders als das Arbeitsgericht Stuttgart meint, sehr wohl einer nachträglichen Befristung aufgrund einer Betriebsvereinbarung entgegen.

Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber aber sonst insbesondere dann, wenn gar kein Betriebsrat gebildet wurde?

Die Praxis behilft sich mit einer sogenannten Änderungskündigung, also der Kündigung des unbefristeten und dem gleichzeitigen Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Die Rechtsprechung stellt allerdings ohnehin schon hohe Anforderungen an eine Änderungskündigung. Wird diese nun ausgesprochen, um eine nachträgliche Befristung zu erreichen, muss die beabsichtigte Befristung darüber hinaus aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein. Sie sollten daher unbedingt rechtlich prüfen lassen, ob eine Änderungskündigung im Einzelfall Bestand hat.

Die bessere Alternative?

Achten Sie bereits bei Vertragsschluss oder bei Änderungen der Vertragsbedingungen im Laufe des Arbeitsverhältnisses auf die „richtige“ Vertragsgestaltung. Denn nur, wenn Ihr Arbeitsvertrag stichhaltige Klauseln zu einer (Alterszeit-)Befristung enthält, brauchen Sie sich keine Gedanken mehr darüber machen, wie Sie eine nachträgliche Befristung umsetzen können. Sprechen Sie uns an! Wir stehen Ihnen sowohl bei er Durchsetzung einer nachträglichen Befristung als auch bei der Gestaltung Ihrer Arbeitsverträge zu Seite.

Weite Informationen zu dem Thema „Befristung von Arbeitsverträgen“ erhalten Sie in unserem „Newsletter Arbeitsrecht“ unter https://www.ra-wittig.de/ratgeber/ratgeber-arbeitsrecht/arbeitsvertrag/befristung/.


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